Die NS-Zeit ist noch allzu oft ein „blinder Fleck“ in der lokalen Geschichtsschreibung von Städten und Dörfern, es fehlt an Dauerausstellungen und Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum, und wenn es sie gibt, fokussieren sie auf Opfererzählungen und Widerstand. Andere wichtige Fragen, wie die nach den Tätern und den Vorbedingungen von Täterschaft, bleiben oft ungestellt. Zugleich alarmieren uns aktuelle Studienbefunde zum Zuwachs an rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung und wir sehen uns mit lauter werdenden Stimmen konfrontiert, die offen geschichtsrevisionistische Positionen vertreten und in die Öffentlichkeit tragen, eine Entwicklung, die nochmals die zivilgesellschaftliche und politische Verantwortung für eine wirksame kommunale Erinnerungskultur unterstreicht.
Ausgehend von der besonderen Rolle Plauens in der Gründungszeit der NSDAP und während der NS-Machtetablierung und -Diktatur ab 1933 möchten wir mit Dr. Katherine Lukat (Stadtarchiv Wiesbaden), Doritta Kolb-Unglaub (colorido e.V.), Tobias Kämpf (Kulturbürgermeister Plauen) und Frank Richter (MdL) Bedingungen und Möglichkeiten des gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses diskutieren, der die Erinnerungskultur hervorbringt und prägt. Welche Aufgaben sind in Plauen aktuell zu priorisieren und wie kann man gemeinsame Ideen in naher Zukunft umsetzen?
Die Diskussion wird von Bastian Wierzioch moderiert. Der Eintritt ist frei.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mit der Friedrich- Ebert-Stiftung / Landesbüro Sachsen, colorido e.V. sowie dem Theater Plauen-Zwickau.
im Podium:
Tobias Kämpf ist Bürgermeister für den Geschäftsbereich I der Stadt Plauen und zuständig für die Bereiche Kultur, Tourismus, Schulen/Kitas, Familie, Soziales, Bürgerservice sowie den Kommunalen Präventionsrat. Bis 2021 war er Bereichsleiter (Privatkundengeschäft) und Prokurist bei der Volksbank Vogtland-Saale-Orla eG.
Tobias Kämpf ist verheiratet und Vater dreier Kinder.
Doritta Kolb-Unglaub
Ein Leitspruch, den ihr Schüler*innen gaben: Das Leben ist eine Demonstration.
Geboren 1961 in Plauen, erlernte Doritta Kolb-Unglaub zunächst den Beruf der Dekorateurin. Von 1986 bis 1989 absolvierte sie ein Werbedesign-Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. Die folgenden 15 Jahre war sie in dem Beruf für verschiedene Unternehmen tägig und engagierte sich parallel im Ehrenamt für Kinder und Jugendliche. 2003 entschloss sie sich für diese Profession und zum Direktstudium der Sozialpädagogik. Doritta Kolb-Unglaub erarbeitet und begleitet Projekte im Kunst-, Kultur-, Politik- und Geschichtsbereich. Dabei sind junge Menschen ihre Hauptzielgruppe. Sie ist Gründungsmitglied und seit sechs Jahren ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des colorido e. V. Plauen.
Dr. Katherine Lukat, geboren in Plauen, absolvierte von 2005 bis 2010 ihr Magisterstudium an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in den Fächern Geschichte, Politik- und Kommunikationswissenschaft. 2011−2019 war sie Doktorandin am Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Uni Bamberg, das Thema ihrer Dissertation ist „Zwangsarbeit in Plauen im Vogtland“. Seit 2018 ist Katherine Lukat Sachgebietsleiterin Gedenkstätten im Stadtarchiv Wiesbaden.
Frank Richter, geboren 1960 in Meißen, absolvierte von 1981 bis 1987 ein Studium der Philosophie und Theologie in Erfurt und Neuzelle. Nach der Priesterweihe 1987 war er als Kaplan in Dresden tätig und 1989 dort Mitbegründer der „Gruppe der 20“. Ab 1994 folgten die Tätigkeit als Jugendseelsorger des Bistums Dresden-Meißen, der Vorsitz des Kinder- und Jugendring Sachsens e. V. , die Arbeit als Pfarrer in Aue/Sachsen und als Referent für Religion und Ethik am Sächsischen Staatsinstitut für Bildung und Schulentwicklung Radebeul. Infolge seiner Heirat 2006 verlor Frank Richter sein Pfarramt, war zwischenzeitlich als Unterrichtender tätig und von 2009 bis 2017 Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Vom 1.2.2017 bis 30.6.2018 war er Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden und kandidierte im Sommer 2018 um das Amt des Oberbürgermeisters von Meißen. Im Januar 2019 folgte die Nominierung durch den Kreisverband Meißen der SPD als parteiloser Kandidat für die nächste Wahl zum Sächsischen Landtag im Wahlkreis 39. Seit dem 01.10.2019 ist Frank Richter Mitglied des Sächsischen Landtags und seit Juni 2021 Mitglied der SPD.
Für seine Tätigkeit und sein Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz (1995). Zu seinen jüngsten Publikationen zählt „Gehört Sachsen noch zu Deutschland?“ (2019).
Bastian Wierzioch, geboren 1976, stammt aus Bayern, studierte Diplom-Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig und arbeitet dort heute als Reporter, Autor, Moderator und Medienberater. Zu seinen journalistischen Spezialgebieten zählen u.a. Innenpolitik und Rechtsextremismus. Über die extreme Rechte berichtet der Radio-Reporter seit 1998. Seine Reportagen sind im Mitteldeutschen und im Bayerischen Rundfunk zu hören.