Das erinnerungspolitische Netzwerk sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG) fordert, dass in einem transparenten Verfahren alle Hintergründe der Umwidmung der Fördermittel des Geschichtslehrpfades benannt und mit allen Beteiligten eruiert werden.
Leipzig, den 12. August 2024
Seit 14 Jahren plant die Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain und der Förderverein der Gedenkstätte einen Geschichtslehrpfad auf dem Gelände des früheren Kriegsgefangenlagers Zeithain. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG) hat nun die für die Realisierung angedachte Fördermittel an anderen Gedenkstätten vergeben. Die Projektinitiatoren sind von dieser Nachricht überrascht worden. Das erinnerungspolitische Netzwerk sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG) fordert, dass in einem transparenten Verfahren alle Hintergründe des Vorgehens benannt und mit allen Beteiligten eruiert werden.
Zur Entwicklung des Geschichtslehrpfades
Die Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain erinnert an die Opfer des Kriegsgefangenenlagers. Zwischen 1941 und 1945 sind dort mehr als 25.000 bis 30.000 sowjetische und 900 Kriegsgefangene aus anderen Ländern an Hunger und Krankheiten verstorben. Zeithain ist damit der Ort des größten NS-Massenverbrechens in Sachsen. Die Toten sind auf den Friedhöfen der Gedenkstätte begraben. Der geplante Pfad soll auf 1,8 ha von 66 ha des gesamten ehemaligen Lagergeländes an die Geschichte des Ortes erinnern (das entspricht weniger als 0,2% des heutigen Naturschutzgebiets „Gohrischheide – Elbniederterrasse Zeithain“). Das Büro für Zeitgeschichte und Denkmalpflege der Architektin Barbara Schulz hat dazu bereits eine umfangreiche Planung erstellt und den Kostenumfang in der letzten Version auf 800.000 € geschätzt. Die Planungen sehen die Errichtung von sechs Elementen vor, die den ehemaligen Barackengiebeln nachempfunden sind. Diese werden durch einen Aussichtsturm und Infotafeln ergänzt. Die Planungen wurden durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten unterstützt und der Freistaat Sachsen stellte dafür im Februar 2022 Mittel aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen (PMO) in Höhe von 500.000 € zur Verfügung. Der Geschäftsführer der StSG, Dr. Markus Pieper, nennt in der 2024 veröffentlichten Entwicklungskonzeption die Fertigstellung des Geschichtslehrpfades unter den Projekten, die in den kommenden zehn Jahren realisiert werden sollen.
Immer wieder verzögerten Herausforderungen in der Baugenehmigung, die Auflagen des Naturschutzes und die Anforderungen des Staatsbetriebes Sachsenforst die Planungen. Im Januar 2024 konnte ein Bauantrag mit vier Umweltverträglichkeitsgutachten beim Landratsamt Meißen eingereicht werden. Bereits mit der Inaussichtstellung der PMO-Mittel war den Beteiligten bewusst, dass diese bis Ende 2025 ausgegeben werden müssen und nur einen Teil der notwendigen Kosten abdecken.
Nach unserem bisherigen Kenntnisstand erkundigte sich Dr. Pieper im März 2024 bei der Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain nach dem Stand des Verfahrens. Eine, wie abgefragt, vollständige Realisierung bis Ende 2025 konnte aufgrund der Verzögerungen nicht zugesichert werden. Die fehlenden Mittel in Höhe von 300.000 € hätten dies zudem nicht ermöglicht. Teile des Projektes hätten jedoch durchaus realisiert werden können. Anfang Juli erhielt die Gedenkstätte die Information, dass die PMO-Mittel anderweitig vergeben wurden.
Prozess der Umwidmung von Geldern
Die PMO-Mittel wurden in Absprache mit der StSG ohne Beteiligung der Stiftungsgremien per Kabinettsbeschluss zugunsten der Realisierung von Projekten der Gedenkstätte Großschweidnitz und des Erinnerungsorts Torgau umgewidmet. Die StSG verweist in ihrer letzten Stellungnahme in der Sächsischen Zeitung am 8.8.2024 darauf, dass die Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain das Projekt neu projektieren soll. Statt der bereits zugesagten PMO-Mittel solle man Fördermitteltranchen aus künftigen Landeshaushalten beantragen und für die Realisierung nutzen. Dieser Vorschlag wirft Fragen auf. Nach Ansicht des Fördervereins ist mit dem aktuell geplanten Geschichtslehrpfad bereits eine Minimallösung gefunden. Eine weitere Reduzierung sei dem Gedenken, aber vor allem dem Bildungsauftrag der Gedenkstätte, nicht angemessen. Weiterhin würde eine Finanzierung aus dem Landeshaushalt bedeuten, dass nur kleine Etappen realisiert werden können.
Bei einem Bauprojekt in dieser Dimension ist eine Aufteilung des Gesamtbedarfs und jährliche Neubeantragung der Tranchen schwer vorstellbar. Zudem zeichnet sich ab, dass aufgrund der aktuellen politischen und haushalterischen Situation eine umfangreiche Aufstockung des Stiftungsetats unrealistisch ist. Der Geschichtslehrpfad würde als „neues“ Projekt in diesem Förderfeld gegen lang geplante Investitionen antreten.
Möglicherweise könnte aber genau dieser Umstand ein entscheidender Ausgangspunkt für ein Engagement um eine Förderung durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien sein. Welche Rolle gedenkt die Stiftung Sächsische Gedenkstätten in diesem Prozess einzunehmen?
Transparente Aufarbeitung der Vorgänge
Aus Sicht der sLAG ist es bei dem beschriebenen Projekt zu einer Verkettung struktureller Probleme gekommen, die in Summe als Chance begriffen werden können, um Abstimmungsabläufe und Verantwortlichkeiten auf den Prüfstand zu stellen. Die Einbeziehung der Stiftungsgremien in die Umwidmung der Mittel wäre aus Sicht der sLAG immanent gewesen. Welche Verfahrensabläufe lagen dem zu Grunde?
Wie an vielen Orten ist es Chance und Herausforderung zugleich, dass unterschiedliche Behörden bei Bauvorhaben sich mit Fragen der Erinnerungsarbeit auseinandersetzen müssen. Beim vorliegenden Projekt ist nicht transparent, inwiefern eine intensivere Kommunikation zwischen den Initiatoren, Dr. Pieper in seiner Funktion als Geschäftsführer und den Behörden des Landkreises Meißen, wie der unteren Umweltschutzbehörde, dem Bauamt und dem Sachsenforst, entstandene Verzögerungen und Spannungen vorbeugen hätten können.
Offen ist auch, ob die StSG eine rechtliche Beratung in Anspruch nahm, die von der Architektin Schulz empfohlen wurde.
Der Förderverein bemängelt zudem die Informationspolitik der Stiftung mit ihnen als Projektinitiator. Die StSG formulierte in einem Bericht in der Sächsischen Zeitung vom 8.8.24, dass zahlreiche Arbeitstreffen stattfanden. Inwiefern war daran die Stiftungsleitung beteiligt?
Wir fordern eine transparente Darlegung und Klärung im Interesse zukünftiger Projekte.
Die sLAG ist interessiert an einer kritischen Reflexion der Prozesse durch die beteiligten Akteure. Was kann aus diesem Prozess für zukünftige Zusammenarbeit gelernt werden? Dabei ist auch grundsätzlich über die Rolle der Geschäftsführung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Austausch zu treten. Welche Erwartungen werden an sie gestellt und wie steht dem das eigene Selbstverständnis dem gegenüber, z.B. bei der Verantwortung für Antragsstellung oder Genehmigungsverfahren bei Bauanträgen?
Wie bereits bei anderen Projekten wird an diesem Prozess deutlich, dass die StSG Herausforderungen bei der Verwaltung und Vergabe von Fördermitteln zu bewältigen hat. Wie können hier in den kommenden Jahren Verbesserungen herbeigeführt werden?
Die sLAG sieht die Vorgänge als Chance, Verfahren und Kommunikation kritisch-wertschätzend vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Ressourcen der StSG auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. Dies kann nur auf Basis transparenter Fakten und in einem gemeinsamen Dialog der Stiftungsgremien und der erinnungspolitischen Akteure geschehen. Auf Basis dessen müssen in Verantwortung der StSG neue Mittel eingeworben werden, die eine realistische Umsetzung des Geschichtslehrpfades der Gedenkstätte und des Fördervereins Ehrenhain-Zeithain in der jetztigen Konzeption ermöglichen.
Wir erwarten von der StSG die bald möglichste Offenlegung der Abläufe und das Wiederaufnehmen der Gespräche mit dem Förderverein und der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. Das Ziel aller Beteiligten muss eine Beantragung von Fördermitteln zur schnellstmöglichen Realisierung des Geschichtslehrpfades sein.
Daniela Schmohl, Anna Schüller, Tobias Kley und Felix Pankonin
(Sprecher*innen der sLAG)
Die sLAG möchte allen Interessierten die Möglichkeit geben, den Konflikt um die Umwidmung der Fördermittel des Projekts „Geschichts- und Naturlehrpfad Ehrenhain Zeithain“ zwischen der Geschäftsführung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und dem Förderverein Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain e.V. nachzuvollziehen. Sie finden alle relevanten Veröffentlichungen in der Reihenfolge ihres Erscheinens hier.
Der Förderverein Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain e.V. hat eine Chronologie der Bemühungen zur Realisierung des Geschichtslehrpfades „Kriegsgefangenenlager Zeithain“ erarbeitet. Sie finden die Chronologie hier.