Vortrag „Auferstanden aus Ruinen? Die documenta in Dresden, oder: wie Kunstausstellungen und Kunsterziehung als Medien nationalistischer Metapolitik Geschichte reinwaschen“ mit Nanne Buurman

08.11.2024 11:30 Uhr, Zentralwerk, Dresden

Die Offenlegung der belasteten NS-Vergangenheiten einiger zentraler documenta-Gründungsfiguren hat in den letzten Jahren für Aufregung gesorgt. Für viele passten diese Erkenntnisse nicht zum dezidiert postnazistischen Image der Ausstellungsreihe und ihrer Rehabilitierung der im Rahmen der nationalsozialistischen Kulturpolitik verfemten modernen Kunst. Dabei prägten völkisch-nationalistische Narrative und Netzwerke aus der Zeit vor 1945 bzw. 1933 die documenta in vielerlei Hinsicht. Der Mythos der unbefleckten Wiederauferstehung der Moderne aus den Ruinen des zweiten Weltkriegs, der u.a. durch die Inszenierung der Ausstellung im zerbombten Museum Fridericianum ins Werk gesetzt wurde, muss angesichts von epistemologischen, ökonomischen, ästhetischen und diskursiven Kontinuitäten revidiert werden. Indem sie personelle und strukturelle Verstrickungen vergessen machte, trug die documenta im Rahmen der sogenannten Reeducation zur Reinwaschung der deutschen Kunst/Geschichte bei.
 
Um die sozial reproduktiven Dimensionen von Kunstausstellungen und Kunsterziehung als meta-politische Medien revisionistischer Geschichtskonstruktionen aufzuzeigen, wirft der Vortrag Schlaglichter auf die kunsthistorische, kuratorische und edukative Praxis ausgewählter documenta-Gründungsväter, die u.a. auch an Kunsthochschulen unterrichteten, publizistisch und kulturpolitisch tätig waren. In den Blick geraten dabei zahlreiche Verbindungen nach Sachsen. Insbesondere Dresden ist für die Vorgeschichte der documenta in verschiedener Hinsicht relevant und teilt mit der documenta-Stadt Kassel nicht nur ein national-romantisches Verhältnis zu Ruinen.
 
Nanne Buurman war als Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Kunstvermittlerin und Kuratorin an diversen Forschungs-, Ausstellungs-, Publikations- und Kunstvermittlungsprojekten beteiligt. Nach Stationen in Berlin, London, Köln und Kassel wirkt sie aktuell an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig im von ihr mitinitiierten Forschungs-, Publikations- und Ausstellungsprojekt zu rechten Kontinuitäten an Kunsthochschulen/die HGB im NS mit. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin für documenta und Ausstellungsstudien an der Kunsthochschule Kassel war sie am Aufbau des documenta Instituts beteiligt und leitet die dis_continuities-Forschungsgruppe zu NS-Kontinuitäten bei der documenta.
 
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Erinnerungspolitischen Fachtags „Sicht|Felder. Kunst, Gedächtnis und Erinnerung“ statt. Eine Teilnahme ist nur mit Anmeldung möglich.
 
Bildnachweis: Nanne Buurman