Daniel Ristau (freiberuflicher Historiker)

21.09.2020

Neulich beim Feuerholzstapeln … – ein Objekt von Tausenden, anhand derer sich Zugänge zur Geschichte des Nationalsozialismus eröffnen. Gerade den Jüngeren erscheint diese oft fern, ihre weitere Erforschung und Diskussion bleibt aber weiterhin notwendig.

Doch zur Sache: Vor Kurzem ist mir beim Sortieren von Feuerholz ein wurmstichiges Brett untergekommen, auf dem deutlich ein Adler mit Hakenkreuz sowie die beiden Buchstaben „H. U.“ zu erkennen sind. Der im Gegensatz zum Parteiadler nach links blickende Reichsadler und die für „Heeresunterkunft“ stehenden Abkürzung verweisen darauf, dass das Holzbrett vermutlich Teil eines Spindes aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen war, der nach 1936 hergestellt oder zumindest gebrandmarkt wurde. Offensichtlich fand er nach 1945 an anderer Stelle Weiterverwendung, ehe er schließlich in Privatbesitz gelangte.

Tatsächlich sind solche Funde im Alltag noch immer keineswegs selten – vor allem dann nicht, wenn man ein Auge für die kleinen Details hat. Mit Reichsadler und „H. U.“ waren auch andere Möbel, Ausrüstungsgegenstände und Geschirr markiert. Als Artefakte eröffnen sie einen Zugang in die inzwischen oft als fern wahrgenommene Zeit des Nationalsozialismus.Sie können der Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dessen Geschichte sein, gerade auch für jüngere Menschen.

Und sie erlauben weitere Fragen: So kann über die tatsächliche Verwendung des Spindes, von dem das Holzbrett stammt, in der Zeit des Nationalsozialismus kaum etwas gesagt werden. Gehörte das Möbelstück etwa zu einer Wehrmachtskaserne, einem Wehrertüchtigungs- oder gar einem anderen Lager? Wie wurde es nach 1945 verwendet? Warum wurde das Hakenkreuz nicht unkenntlich gemacht, wie dies im Rahmen der sogenannten Entnazifizierung vielfach geschah? Nur, weil es sich auf der Rückwand befand?
Als Historiker, der sich intensiv auch mit der Zeit des Nationalsozialismus in Sachsen beschäftigt, finde ich deshalb nicht nur den Blick auf schriftliche Quellen, sondern auch auf Fotografien und Artefakte für die Forschung, besonders aber auch die Bildungsarbeit bereichernd. Und so kann denn ein einfaches Stück Brennholz mit Hakenkreuz die Tür zum historischen Themenfeld Aufrüstung, Zweiter Weltkrieg, zu den Verbrechen des Nationalsozialismus wie zu Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur öffnen.

Foto: Daniel Ristau
Foto: Daniel Ristau