Trauer um Dr. Nora Goldenbogen – Stimmen aus der sLAG und ihrem Umfeld

06.12.2024

Nora Goldenbogen war von 2003 bis 2020 Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, seit 2017 Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, Historikerin und erinnerungskulturelle Impulsgeberin.

 

In dieser Zeit positionierte sich Nora Goldenbogen stets für die Anerkennung jüdischen Lebens in Sachsen und gegen alten und neuen Antisemitismus.

 

Der Neubau der Synagoge am Hasenberg war ein großer, mutiger Schritt, um die Dresdner Jüdische Gemeinde sichtbar zu machen. Die Öffnung der Jüdischen Gemeinde mit vielen kulturellen und politischen Veranstaltungen, dem Café im Gemeindehaus, Kooperationen zu aktuellen städtischen Themen und Gedenkveranstaltungen hat die Neue Synagoge zu einem Anlaufpunkt werden lassen. Dies ist zu großen Teilen Nora Goldenbogen zu verdanken.
Diese Öffnung war angesichts der Angriffe auf Gemeindehaus und Synagoge, die ab der Eröffnung 2001 immer wieder abzuwehren waren, ein Wagnis und ein Kraftakt.

 

Als die rechtsextremen Aufmärsche anlässlich der Bombardierungen Dresdens 1945 in den 2000er Jahren mehrere Tausend Alt- und Neonazis, Revisionist*innen und Holocaustleugner*innen an der Synagoge vorbeiführten, kritisierte Nora Goldenbogen diese Routenführung und die so entstehende Gefährdungslage für die Gemeinde lange Zeit erfolglos. Ebenso wehrte sie sich gegen die Teilnahme von NPD und Landsmannschaften an Kranzniederlegungen auf dem Heidefriedhof. Erst das Fernbleiben der Jüdischen Gemeinden 2008 initiierte den Aufbruch des Dresdner Bombardierungsgedenkens. Es folgte ein Eingeständnis der Landeshauptstadt Dresden, ein Stilles Gedenken ermögliche es auch Holocaustleugner*innen und -relativierern, am Bombardierungsgedenken teilzunehmen, dann die ersten vorsichtigen historisch kontextualisierenden und abgrenzenden Redebeiträge der damaligen Oberbürgermeister*in, der Wechsel zu weißen Rosen auf dem Heidefriedhof und nach mehreren Jahren auch ein Ende des Stillen Gedenkens in der Altstadt. Versöhnung wurde in dieser Zeit oft mit Geschichtsbewusstsein verwechselt.

 

„Wir haben diesen Begriff der Versöhnung für uns nie angenommen, weil wir gesagt haben, wir müssen uns nicht versöhnen. Und eigentlich erwarten wir auch von niemandem heute, dass er sich mit uns versöhnt“, sagte Nora Goldenbogen rückblickend. „Für uns ist Erinnerung wichtig. Und die Erinnerung ist etwas, was nicht unbedingt mit Versöhnung zu tun hat. Sondern das ist etwas, was man mitnimmt, weil es die eigene Geschichte ist.“ Erinnern sei eine Haltung, in der „du darüber nachdenkst, was du falsch gemacht hast … und wenn du damit so tief umgehst, dass es auch ernsthaft ist, dann ist die Versöhnung da, dann nimmst du das auch nicht mehr mit“, so Nora Goldenbogen.

 

Viele Mitglieder der sLAG kooperierten mit Nora Goldenbogen. Einige hat sie ab 1989/90 mitgegründet und all die Jahre mitgestaltet. So vor allem HATiKVA, mit ihrer anerkannten Publikation Medaon. Vielen erinnerungskulturellen Initiativen stand Nora Goldenbogen fachlich beiseite. Und genauso wichtig: herzlich und zugewandt.

 

Liebe Nora Goldenbogen, mit einem Riss in unseren Herzen nehmen wir Abschied von dir. Aber wir erinnern (uns) an dich, weil es deine und auch unsere gemeinsame Geschichte ist.

 

Claudia Jerzak für die sLAG

 


 

    • Daniel Ristau: Ich poste selten etwas auf dieser Plattform, aber heute gibt es einen traurigen Anlass: Nora Goldenbogen (…) ist von dieser Welt gegangen. Seit den 1990er Jahren hatten wir zu ganz vielen Gelegenheiten und Themen freundschaftlichen Austausch. Sie hat meine Projekte zur jüdischen Geschichte stets gefördert, insbesondere mein Projekt „Bruchstücke. Die Novemberpogrome in Sachsen 1938“.

 

    • Förderkreis Alter Leipziger Bahnhof: Dr. Nora Goldenbogen gehörte zu den wichtigen Fürsprechern für einen würdigen Ort der Erinnerung am Alten Leipziger Bahnhof und war Fördermitglied unseres Trägervereins. Sie begleitete die zahlreichen Diskurse rund um die Etablierung einer Gedenkstätte am ehemaligen Deportationsbahnhof mit Fachkenntnis, Engagement, Weisheit und Wärme.

 

    • Dieter Gaitzsch: Sie gehörte zu den Menschen, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass es sie nicht mehr geben soll. Ich blicke gern auf die Begegnungen mit ihr zurück. Besonders bleibt mir ihr erster Beitrag beim Mahngang Täter:innenspuren in Erinnerung. Sie meinte damals: „Weißt Du, zur Synagoge und den Juden in Dresden kann ich so viel sagen, da brauche ich kein Konzept.“ Ihr Beitrag war dann auch so, wie ich später noch viele Reden von ihr gehört habe: kenntnisreich, aber nicht belehrend, warmherzig, aber mit klarer Aussage. Danke für alles, Nora!

 

    • Nora Pester und das Hentrich & Hentrich-Team: Wir trauern um eine geschätzte Autorin und Wegbegleiterin. (…) Vor genau zwei Jahren hat sie uns die Veröffentlichung der Lebensgeschichte ihrer Eltern anvertraut: Seit ich weiß, dass Du lebst. Liebe und Widerstand in finstersten Zeiten. Sie wird uns sehr fehlen. Baruch Dayan Ha’Emet.

 

 

    • AKuBiZ: Wir lernten Nora bereits zu Beginn unseres politischen Engagements als Verein in Pirna kennen. Das erste Mal unterstützte sie uns 2004, als wir die Ausstellung „Aktueller Antisemitismus in Deutschland und Europa“ im Pirnaer Rathaus zeigten. Nora sprach zur Eröffnung der Ausstellung. Ein Jahr später war sie mit einem Vortrag im Rahmen der Ausstellung der Berliner Friedensbibliothek „Der gelbe Stern“ in der Goethe-Oberschule in Pirna erneut unser Gast.

 

    • Weiterdenken: Ihr Leben war geprägt von Mut, Klugheit, gelebter Solidarität und Klarheit. Sie war Kompass und Inspiration. Wir durften im Jahr 2022 zu ihrem Buch (…) über das Leben, die Liebe und die Verfolgung ihrer Eltern im Nationalsozialismus kooperieren.

 

    • Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen: Bei einem Generationengespräch in der Gedenkstätte Sachsenhausen zum 70. Jahrestag der Befreiung sprach Nora Goldenbogen gemeinsam mit ihrer Tochter über die Bedeutung der Verfolgungsgeschichte ihres Vaters für sie selbst und ihre Familie.

 

    • Kulturforum Görlitzer Synagoge: Frau Dr. Goldenbogen hat sich intensiv in das Nachdenken über die Sanierung der Görlitzer Synagoge und über das Konzept für die Betreibung des Hauses als Kulturforum Görlitzer Synagoge eingebracht.

 

    • Amadeu Antonio Stiftung: Als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden Sachsens war sie für uns enge Kooperationspartnerin im Kampf gegen Antisemitismus, mit HATIKVA e. V. verband uns eine enge Zusammenarbeit.

 

    • Ariowitsch-Haus: Nora Goldenbogen hat sich bis zur letzten Minute ihres Lebens für den Erhalt und die Entwicklung des jüdischen Lebens in Sachsen eingesetzt. (…) Nora war unsere persönliche Freundin, eine Freundin unserer Leipziger jüdischen Gemeinde, eine Freundin des Ariowitsch-Hauses.

 

    • OFEK: Wir trauern um Dr. Nora Goldenbogen, (…) eine wichtige Partnerin für unseren Standort in Sachsen. Ihre Haltung, ihre Klarheit, ihre Führungskraft werden fehlen.

 

 

    • Katja Kulakowa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden: Mit dem Tod von Nora Goldenbogen ist ein wesentliches Stück der Seele unserer Gemeinde verloren gegangen. In all den Jahren, in denen sie sich der jüdischen Gemeinschaft gewidmet hat, war sie in der Gemeinde nicht nur sehr stark respektiert, sondern auch sehr beliebt. Wir werden sie sehr vermissen.

 

Foto: Pressefoto (privat)