Wir erinnern am 8. Mai an den 77. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und des Kriegsendes in Europa.
Wir erinnern an die unzähligen Opfer des rasseideologischen Raub- und Vernichtungskrieges der Nazis – unter ihnen bis zu 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion. Wir erinnern an 6 Millionen europäische Jüdinnen und Juden, die in der Shoa ermordet wurden ebenso wie 500.000 Sinti und Roma aus ganz Europa und so viele andere Menschen aus allen Ländern Europas. Wir erinnern auch an Millionen Menschen aus ganz Europa, die zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich oder die besetzten Gebiete verschleppt wurden und im umfassenden Lagersystem der Nazis inhaftiert waren.
Für die Überlebenden des NS-Lagersystems und des Vernichtungskrieges ist und bleibt es ein Tag der Befreiung.
Wir erinnern aber auch an alle Soldatinnen und Soldaten der Alliierten Armeen wie der Partisan*innenverbände, die für die Befreiung Europas vom Faschismus kämpften, unter ihnen mit sehr hohen Verlusten die Soldat*innen der Roten Armee. Wenn heute unter dem Eindruck des Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine, der Anteil dieser Menschen am Sieg über den Faschismus in Europa weggewischt werden soll, dann weisen wir das als geschichtsrevisionistisch entschieden zurück.
Eine Unterscheidung nach Nationalitäten der Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter*innen und ebenso der Soldat*innen ist für uns indiskutabel. Natürlich soll nicht negiert werden, woher diese Menschen kamen – ob aus Odessa oder Nowogródek, aus Leningrad oder Kasan, aus Riga oder Simferopol – für die Erinnerung an den Vernichtungskrieg und die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nazis spielt das nur eine untergeordnete Rolle.
Wir sehen es in der aktuellen Debatte in den Medien, in einer Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine, die wir uns oft ausgewogener, sachlicher und mit viel mehr diversen Stimmen wünschen würden. Berichterstattung, die über Bilder und Kurznachrichten hinaus auch die Hintergründe und Ursachen, die Geschichte von Konflikten aber auch Lösungen jenseits von Hochrüstung und Atomkriegen darlegen und diskutieren muss. Hier sind journalistische Sorgfalt ebenso gefordert wie das kritische Hinterfragen des eigenen Medienkonsums.
Was uns immer wieder aufschreckt und zu Mahner*innen werden lässt, ist die Kontinuität von Rassismus und Antisemitismus, sind aktuell vor allem antislawischer Rassismus und Antiromaismus, die darauf verweisen, dass die nationalsozialistische Ideologie keineswegs verschwunden ist.
Nicht zuletzt unterstützen wir die Forderung nach Recht auf Asyl für alle Menschen, die vor Kriegen und staatlichen Repressionen fliehen. Es ist nicht akzeptabel, dass Geflüchtete nach Nationalitäten unterschieden werden und die einen sofort bekommen, was anderen zum Teil seit Jahren verweigert wird: Wohnung, Schule, Arbeit und finanzielle Unterstützung – von einem sicheren Weg und kostenfreiem Transport in die EU ganz zu schweigen.
Alle Menschen haben das gleiche Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Schutz und Sicherheit, auf Schule, Ausbildung und ein Dach über dem Kopf in Europa. Dieses Recht auf Asyl ist nicht zuletzt eine zu verteidigende und einzufordernde Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg.
Bleiben wir solidarisch und im Dialog und erinnern gemeinsam an die Befreiung Europas von der NS-Herrschaft.