Noch immer sind Vorhaben „in Präsenz“ eine Besonderheit und so waren auch wir sehr froh, dass unsere erste große Veranstaltung in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Sachsenburg in diesem Jahr nach unseren Plänen stattfinden konnte. Mehr als 50 Interessierte, Engagierte aus dem Netzwerk und Umfeld der sLAG, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gedenkstätten und an Universitäten und nicht zuletzt am Wettbewerb zur sogenannten „Kommandantenvilla“ in Sachsenburg beteiligte Architektinnen und Architekten hatten sich angemeldet, mit knapp 50 dann tatsächlich Anwesenden war das Symposium gut besucht und besetzt.
Ausgehend von dem 2020/’21 durch die Stadt Frankenberg durchgeführten und vielfach in seinen Ergebnissen umstrittenen Ideenwettbewerb zur „Kommandantenvilla“ auf dem Gelände des KZ Sachsenburg (1933-1937) befasste sich das Symposium mit daraus folgenden übergeordneten Fragen des Umgangs mit NS-Tat- und Täterorten.
Mit ihrem einleitenden Vortrag unter der titelgebenden Überschrift „Orte von Belang“ fokussierte Cornelia Siebeck (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) auf Schlüsselbegriffe wie „Authentizität“, „Aura“ und „historischer Ort“ und stellte die Tragfähigkeit solcher Zuschreibungen für die Erinnerungsarbeit zur Disposition.
Schon mit dem anschließenden Vortrag von Anna Schüller zur Ausschreibung und Durchführung des Sachsenburger Wettbewerbs kam die Diskussion mit den Anwesenden in Gang, einen ersten Höhepunkt erreichte sie mit der Präsentation des Entwurfs „Nie wieder!“ durch Christoph Weigel. In Reaktion auf die öffentliche Kritik der Juryentscheidung im Juni 2021 hatte die Stadt Frankenberg diesen nicht prämierten Entwurf ausgewählt und als Teil eines Antrags auf Gedenkstättenförderung für die Gedenkstätte Sachsenburg bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien im Herbst 2021 eingereicht. In der Diskussion wurden zwei entscheidende Kritikpunkte formuliert: Einerseits fühlen sich die ausgezeichneten Architektinnen und Architekten durch die intransparente Entscheidung übergangen und andererseits schafft der Entwurf „Nie wieder!“ nur bedingt eine Lösung für den durch Wissenschaft und Zivilgesellschaft geforderten Erhalt der Kubatur der Villa. Ausdrücklich zu bedauern ist in diesem Zusammenhang, dass weder die Ausloberin, noch das ausführende Planungsbüro oder die Jurymitglieder des Wettbewerbs unserer Einladung zur Teilnahme am Symposium folgen konnten und somit Fragen nach Entscheidungen und Hintergründen offen bleiben mussten.
Überaus spannend war die Präsentation der Preisträger-Entwürfe nach einer kurzen Kaffeepause, bei denen die Architekten Felix Messing, Peter Alt, Jonathan Banz und Kristof Schlüßler sowie Alexander Pellnitz und Simon Wachsmuth ihre Herangehensweisen an die Aufgabenstellung und ihre Gedanken zur Umsetzung erläuterten und Rückfragen aus dem Publikum beantworteten. Auch die Voraussetzungen des Wettbewerbs und gutachterliche Fragen wurden dabei erörtert. Der Gesprächsbedarf war auch in diesem Block des Programms sehr hoch und aus Zeitgründen musste mehrfach auf die nach der Mittagspause folgende Podiumsdiskussion mit der Möglichkeit zur Beteiligung aller Anwesenden verwiesen werden.
Um „Herausforderung, Chancen und Konsequenzen“ des Wettbewerbs ging es bei der Diskussion im Anschluss. Im Podium waren Anna Schüller (Geschichtswerkstatt Sachsenburg, sLAG-Sprecherin), Melanie Engler (Leiterin der Gedenkstätte Lichtenburg-Prettin), Dr. Markus Pieper (Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten) und Prof. Dr. Jörg Skriebeleit (Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg) zunächst gebeten, einleitende Fragen zu verschiedenen Aspekten eines solchen Verfahrens zu beantworten. In der auch hier rasch einsetzenden Diskussion mit den Teilnehmenden wurden die Defizite des Wettbewerbs deutlich, u.a. die Tatsache, dass die Verantwortlichkeiten eines solchen Prozesses vielgestaltig sind und eine verbindliche Einbindung der Zivilgesellschaft, der Menschen, die sich oft mit jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit an Erinnerungsorten engagieren, nicht vorgesehen ist. Von Melanie Engler, die in Lichtenburg-Prettin an der Neukonzeption der Gedenkstätte arbeitet, wurde z.B. die Idee festgehalten, ein interdisziplinäres Treffen zu organisieren, um die Expertisen der verschiedenen Akteurinnen und Akteure einzuholen. Es wurde das impulsgebende Resümee gezogen, dass Veranstaltungen, die die Hintergründe eines Wettbewerbs beleuchten, den prämierten Entwürfen Möglichkeiten der Erläuterung bieten und verschiedene Perspektiven zusammenführen als besonders sinnhaft und wertvoll empfunden werden.
Ab 16 Uhr war dann die Möglichkeit gegeben, in drei Workshops verschiedene Aspekte des Umgangs mit NS-Tat- und Täterorten zu vertiefen. Prof. Dr. Anke Fissabre und Valentin Bauer arbeiteten mit den Teilnehmenden ihres Workshops zu den Möglichkeiten und Grenzen des Denkmalschutzes für Tat- und Täterorte des NS. Auch hier wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit als besondere Chance für den Umgang mit diesen Orten begriffen. In Anja Neuberts Workshop waren überformte, „unsichtbare“ Orte Thema und deren Zugänglichkeit über didaktisch aufbereitete 360 Grad-Rundgänge. Monika Müller-Rieger und Hans-Christian Täubrich hatten in Workshop 3 die Gestaltung von Räumen zum Thema, wobei sich der Fokus wenigstens teilweise verschob und die Genese von Erinnerungsorten, z. B. des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, in den Blick genommen wurde. Im Abschlussplenum wurden die Workshops kurz zusammengefasst.
Die Vorträge, Entwurfspräsentationen und die Podiumsdiskussion wurden via YouTube live gestreamt und waren anschließend für eine Woche online verfügbar, wobei mehr als 120 Aufrufe gezählt wurden.
Zum Symposium gab es zahlreiches positives Feedback und ein Dank diesbezüglich gilt nicht zuletzt den fleißigen Helferinnen und Helfern, die hinter den Kulissen für ein reibungslosen Ablauf sorgten. Zu danken ist auch dem Referat Antidiskriminierung des Studierendenrats der TU Chemnitz für die Kooperation, u.a. durch die Bereitstellung der Räume, und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten für die mehrheitliche Finanzierung. Ein „Tag von Belang“ kann das Symposium dank aller Referentinnen und Referenten und aller Teilnehmenden resümierend genannt werden und eine Fortsetzung eines solchen interdisziplinären Veranstaltungsformats ist von uns und uns allen zu wünschen.
Fotos: Franziska Frenzel