Erinnerungspolitischer Fachtag, 13.10.2021, Hochschule Mittweida, Eröffnungsvortrag Uwe Hirschfeld (Foto: Franziska Frenzel)

Rückblick Erinnerungspolitischer Fachtag 2021

30.11.2021

Wir blicken zurück auf den Fachtag „Erinnern im Dialog?! Sächsische Erinnerungs- und Gedenkarbeit – Bilanz von 30 Jahren“ an der Hochschule Mittweida.

 

70 Interessierte hatten sich zum Erinnerungspolitischen Fachtag 2021 angemeldet. Von schließlich 60 Teilnehmer*innen war ein Großteil in Präsenz vor Ort, ein kleiner Teil via Zoom den Vorträgen der Blöcke 1 und 2 im Tagesprogramm zugeschaltet.

 

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Christoph Meyer, die sLAG-Referentin Jane Wegewitz, den sLAG-Referenten Jonas Kühne sowie einem Grußwort von Prof. Dr. Ludwig Hilmer, Rektor der Hochschule Mittweida, begann das Tagesprogramm mit Prof. Dr. Uwe Hirschfelds (sLAG) Auftaktvortrag „Entstaatlichung von Erinnerungsarbeit?“ und anschließender Diskussion.

 

Im vormittäglichen Block 1 unter der Überschrift „Staatliche Gedächtnispolitik“ folgten die Vorträge „Besondere Stützpunkte der demokratischen Erinnerungskultur.“ Zur Transformation ostdeutscher KZ-Gedenkstätten nach 1989 von Dr. Insa Eschebach (Lehrbeauftragte am Institut für Religionswissenschaft der FU Berlin) und Sonderfall Sachsen? Das Erbe der Totalitarismustheorie von Dr. des. Ann Katrin Düben (Gedenkstätte Breitenau).

 

Block 2 nach der Mittagspause stand unter der Überschrift „Regionales Erinnern und kommunale Verantwortung“. Christian Hirte, Brandenburgische Museen, sprach über Das Verschwinden der NS-Geschichte in der Nachwendezeit aus den Museen im Osten, Dr. Johanna Sänger, Stadtgeschichtliches Museums Leipzig zum Umgang mit dem NS im städtischen Gedächtnis am Beispiel des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig. Im Vortrag von Prof. Dr. Christoph Meyer, HS Mittweida / Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung stand die Auseinandersetzung um den 13. Februar 1945 in Dresden im Mittelpunkt, Titel war „Deutsche Opfer, deutsche Täter?“

 

Erinnerungspolitischer Fachtag, 13.10.2021, Hochschule Mittweida, Eröffnungsvortrag Uwe Hirschfeld (Foto: Franziska Frenzel)

Erinnerungspolitischer Fachtag, 13.10.2021, Hochschule Mittweida, Get together (Foto: Franziska Frenzel)

 

Am späten Nachmittag folgte ein Workshop-Block zum Thema „Zivilgesellschaft und bürgerschaftliche Erinnerungspraxis“.

 

Kathrin Krahl (Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen und Gjulner Sejdi, Romano Sumnal – Verein für Roma in Sachsen und Roma Respekt) leiteten den Workshop „Welche Opfergruppen, welche Täterschaften und welche Inhalte und Zugänge sind in der sächsischen Erinnerungskultur bisher unterrepräsentiert?– Die Verfolgung und Vernichtung der Sint*ezze und Rom*nja in Sachsen“.

 

Anke Binnewerg (pink tank) übernahm die Leitung des Workshops 2 „Vernetzung zu Archivierung und Datenbanken“, der die Neugründung einer Arbeitsgruppe zum Ziel hatte.

 

Workshop 3 zum Thema „Umgang mit dem baulichen Erbe der NS-Verbrechen im Kontext unterschiedlicher Interessen von staatlicher/kommunaler Gedenkpolitik vs. zivilgesellschaftlicher Erinnerungsarbeit“ wurde von Anna Schüller, Geschichtswerkstatt Sachsenburg, angeleitet.

 

Nur sehr wenige Teilnehmer*innen hatte der „Open Space Vernetzung sLAG und Mittelsachsen“ mit Stephan Conrad, Treibhaus Döbeln und Sprecher*innen sLAG, was darin begründet war, dass die Teilnehmenden aus Mittelsachsen bereits über die sLAG vernetzt sind und keine neuen Initiativen oder Einzelpersonen aus der Region, die zum NS arbeiten, vor Ort waren.

 

Den Abschluss des Fachtags bildete die öffentliche Podiumsdiskussion „Durch das Gedächtnis ein Riss? Perspektiven des Erinnerns“ in der Reihe „Dialog kontrovers extra“ des IKKS der HS Mittweida. Dr. Elke Gryglewski (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten), Dr. Markus Pieper (Stiftung Sächsische Gedenkstätten), Prof. Dr. Thomas Lindenberger (Hannah-Arendt-Institut) und Daniela Schmohl (Sprecherin sLAG) diskutierten engagiert zur Geschichte der sächsischen Geschichtspolitik und den Herausforderungen der zukünftigen Erinnerungsarbeit. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Dr. Christoph Meyer. Kontrovers wurde der Zustand der sächsischen Erinnerungsarbeit beschrieben. Einig waren sich die Teilnehmer*innen jedoch darin, dass im Bereich der Digitalisierung viel Potential steckt, aber manche Herangehensweisen auch problematische Züge tragen. Skeptisch wurden beispielsweise Hologramm-Projekte besprochen, die eine vermeintliche Authentizität einer Zeitzeug*innenbefragung imitieren, aber letztlich kein „echtes Gespräch“ seien. Hier ist Bildungsarbeit mit Schüler*innen oder in der Erwachsenenbildung vor Ort ein Lösungsansatz, der mehr Ressourcen und pädagogisch geschulter Fachkräfte bedarf. Ebenso stellten sich die Diskussionsteilnehmer*innen die Frage, ob Social Media-Projekte wie „Sophie Scholl“ auf Instagram ohne pädagogische Begleitung ein kritisches Geschichtsbewusstsein bei Jugendlichen fördern oder vielmehr, wie im Fall von „Sophie Scholl“, eine Identifikation mit einer Widerstandskämpferin erzeugen, die anders vergegenwärtigt wird, als eventuell beabsichtigt. „Jana aus Kassel“ beispielsweise sah sich in ihrer Gegnerschaft zu den Coronaschutzmaßnahmen in der Tradition der „Weißen Rose“, womit sie den Widerstand gegen den NS unzulässig mit dem eigenen Handeln verknüpfte. Ein weiterer Diskussionspunkt war der Vergleich von sächsischer Erinnerungsarbeit bezüglich der NS-Verbrechen und der DDR-Diktatur.

 

Die Podiumsdiskussion am Abend wurde live über den YouTube-Kanal der Hochschule Mittweida gestreamt und ist weiterhin online verfügbar.

 

 

20:15 Uhr folgte in Kooperation mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung die Theatervorstellung „Er war ja nicht mal deutsch, der Wald“, ein Solostück von Soheil Boroumand.

 

Den Referent*innen und Teilnehmer*innen des Fachtags und der Podiumsdiskussion ist es gelungen, nicht nur retrospektiv einen breiten Fächer an Themen und Problemlagen aufzuzeigen, sondern auch Ansätze für mögliche Handlungsstrategien zu skizzieren. Für die sLAG bieten sich damit vielfältige Anknüpfungspunkte für die Arbeit der nächsten Monate und Jahre.