Ideenwettbewerb zur Gedenkstätte KZ Sachsenburg: NS-Erinnerungsinitiativen lehnen Siegerentwürfe zum weitgehenden Abriss der Kommandantenvilla ab

16.06.2021

Gemeinsame Stellungnahme der Geschichtswerkstatt Sachsenburg, der Lagerarbeitsgemeinschaft KZ Sachsenburg und der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG).

 

In Frankenberg tagte am 8. und 9. Juni 2021 eine von der Stadt eingesetzte Jury zum Umgang mit der ehemaligen Kommandantenvilla
des Konzentrationslagers Sachsenburg. Die drei Siegerentwürfe wurden in der „Freien Presse“ am 12.06.2021 vorgestellt. Die beiden erstplatzierten Entwürfe sehen einen Abriss der Villa bis auf den Gebäudesockel vor. Diese Entscheidung sorgt für Kritik.

 

„Unseres Erachtens muss der Erhalt der Struktur der Kommandantenvilla ein fundamentaler Bestandteil des Konzeptes einer künftigen Gedenkstätte KZ Sachsenburg sein“, sagt Anna Schüller von der Geschichtswerkstatt Sachsenburg. „Die Entscheidung der Jury können wir nicht nachvollziehen. Eine Umsetzung des Entwurfs von Platz eins oder zwei des Ideenwettbewerbes ist für uns keine Option. Das  einmalige Ensemble des KZ Sachsenburg wird durch den Abriss der Villa unwiederbringlich zerstört.“

 

Auch die wissenschaftlichen Beiräte der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sowie der Gedenkstätte Sachsenburg hatten sich vor
kurzem für einen möglichst weitgehenden Erhalt der Villa ausgesprochen.

 

Seit dem ersten Beschluss der Stadt Frankenberg zum Abriss der Kommandantenvilla 2015 setzen sich zivilgesellschaftliche Gruppen und Wissenschaftler*innen für den Erhalt des Gebäudes ein. In einem offenen Brief hatten im Jahr 2019 hunderte internationale und deutschsprachige Wissenschaftler*innen und Erinnerungsakteur*innen die historische Bedeutung der originalen Gebäudestruktur und des Ensembles des ehemaligen KZ hervorgehoben.

 

Ein Antrag auf Bundesförderung der künftigen Gedenkstätte KZ Sachsenburg war 2018 abgelehnt worden, unter anderem, weil dieser den Abriss der Kommandantenvilla vorsah. Ziel des von der Stadt Frankenberg ausgelobten und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
geförderten Wettbewerbs war es, einen Architekturentwurf für den Umgang mit der Villa zu finden. Einer der Entwürfe soll in das Konzept für die künftige Gedenkstätte KZ Sachsenburg eingearbeitet werden, das im August vom Sächsischen Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus beim Bund eingereicht wird.

 

„Ein Abriss gefährdet die Finanzierung durch Land und Bund und damit die Errichtung der Gedenkstätte“, sagt Josephine Ulbricht von
der sLAG. „Das ist seit der Ablehnung des ersten Antrages der Stadt beim Bund vor drei Jahren bekannt. Dieser Fehler darf nicht noch einmal wiederholt werden, denn damit verzögert sich die Errichtung der Gedenkstätte ein weiteres Mal. Auch deshalb muss in der Konzeption der weitgehende Erhalt der Villa durch ein entsprechendes Ergebnis aus dem Wettbewerb herausgestellt werden.“

 

Die NS-Erinnerungsinitiativen kritisieren an den beiden Siegerentwürfen, dass sich diese nicht ausreichend mit der Besonderheit des
Ortes und seiner Geschichte auseinandersetzen.

 

Anna Schüller führt aus: „Die Kommandantenvilla war eindeutig ein Täterort und dies erfordert einen entsprechenden Umgang mit den baulichen Relikten. So können hier dezidiert Fragen nach Täterschaft im Lager und der unmittelbaren Nachbarschaft behandelt werden, was in den beiden Siegerentwürfen jedoch nicht vorgesehen ist.“

 

Der Siegerentwurf sieht eine Nennung der überlieferten Namen der KZ-Gefangenen an einer Betonwand vor. Der Entwurf auf Platz 2 schlägt vor, eine Installation mit Gitterkäfigen auf dem zu erhaltenen Gebäudesockel zu errichten.

 

Der drittplatzierte Entwurf hingegen plant die äußere Erscheinung des Gebäudes zu erhalten. Das vom Putz freigelegte Mauerwerk wird im Inneren des Gebäudes in Beton ausgegossen, sodass ein „Echoraum“ entsteht. Insgesamt hat die Jury 64 Wettbewerbsbeiträge begutachtet.


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