Der Parkplatz eines Discounters ist nicht unbedingt der Ort, wo ein Gedenkstein zu vermuten ist …
… und da er steht, wo er steht, nämlich quasi „am anderen Ende öffentlicher Präsenz“, wird er ohnehin kaum Beachtung finden. Ich habe ihn eines Tages entdeckt als sich hier auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei C. W. Naumann noch interessante Ausblicke auf die „Industriebrache Plagwitz“ boten. Heute sind diese Ausblicke Geschichte. Neben dem Gedenkstein steht ein noch junger Baum mit wenig ausladender Krone, Schatten werfen hier höchstens die Bauten eines neuen Wohnquartiers. Man hat es, an den einstigen Besitzer des Areals erinnernd, “Naumann’sche Brauerei“ genannt.
Als Carl Wilhelm Naumann die Fläche 1857 von Carl Heine kaufte, war er bereits ein bekannter Unternehmer. Um 1929 arbeiteten 3.000 Menschen für die Brauerei und ein paar ihrer Namen, heute kaum noch leserlich, sind in den Gedenkstein graviert. Die Vorderseite, in Ausrichtung zur Zschocherschen Straße, zeigt ein Eisernes Kreuz und darunter die Inschrift: „In den Weltkriegen 1914 – 1918 und 1939 – 1945 gefallenen Betriebsangehörigen zum Gedächtnis.“
Ich frage mich, von wann der Stein stammt. Wer hat ihn initiiert, wer in Auftrag gegeben? Da wie so oft bei solchen Steinen oder Denkmälern beide Weltkriege genannt sind und die Schriftanordnung eine nachträgliche Ergänzung ausschließt, ist eine Datierung nach 1945 sicher. Die Brauerei war vermutlich schon ein VEB (Volkseigener Betrieb), ab 1950 hieß sie als solcher „Westquell“, später „Sachsenbräu“. Gab es vor diesem Stein einen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs? Oder wurde die Vorderseite neu geschliffen, um die Daten beider Weltkriege nachträglich zu platzieren?
Inzwischen schauen ein paar Leute, bevor sie in ihre Autos steigen, zu mir herüber. Aber niemand hält inne, kommt, um mich zu fragen, was es hier zu sehen gibt. Niemand ist interessiert, während ich noch nachsinne über das Eiserne Kreuz, eine Kriegsauszeichnung mit einer Geschichte die zu den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 zurückreicht, im Ersten Weltkrieg etwa fünf (!) Millionen Mal verliehen, im Zweiten Weltkrieg durch Eichenlaub, Schwerter und Brillanten ergänzt wurde. Ein Symbol, das noch in der heutigen Bundeswehr seinen festen Platz hat. In der DDR durfte der „faschistische Blutorden“ nicht öffentlich gezeigt werden und doch ist er hier, auf diesem Stein zu sehen. Er hat doppelt überdauert. Als Gravur und auf einem Areal, wo im Zuge von Abriss- und Baumaßnahmen sprichwörtlich jeder Stein gewendet worden ist.
Von diesem abgesehen, handelt es sich hier um ein schlichtes Namensdenkmal, mit dem wohl niemand so recht umzugehen weiß. Gewidmet den „gefallenen Betriebsangehörigen“, ist es da und doch nicht da. Während deren Namen in der tristen Ecke eines Parkplatzes, am Rand einer überdimensionierten versiegelten Fläche, der Verwitterung anheim fallen und dem Gedächtnis entgleiten, hat es ein Schriftzug an die prominenteste Fassade des neuen luxuriösen Wohnquartiers geschafft. „Brauerei C. W. Naumann Aktiengesellschaft“ ist dort zu lesen.
(Jane Wegewitz, EnterHistory!)