Warum dieses Motiv für die aktuelle Veranstaltungspostkarte?
1940 fotografierte Richard Herold diese Plauener Spitzendecke, ein Stück höchster Handwerkskunst.
Das Motiv zeigt die Ansicht des Plauener Rathauses vom Marktplatz aus gesehen, links das 1907 eingeweihte König Albert-Denkmal, es ist eine Erinnerung an „goldene Zeiten“: Durch die Entwicklung und maschinelle Herstellung von Tüll- und Ätzspitze Anfang der 1880er Jahre hatte die Stadt einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, „Plauener Spitze“ Weltruf erlangt. Als das Reiterstandbild errichtet wird, ist Plauen Großstadt, 1912 erreicht sie mit 128 000 ihre höchste Einwohnerzahl. Die kunstvoll gestaltete Spitzendecke erzählt von diesem Teil der Geschichte.
Als Richard Herold, selbst 1889 in Plauen geboren, dieses Foto macht, hat auch die Plauener Stadtgesellschaft verschiedene Krisen erlebt: den Niedergang der heimischen Textilindustrie seit 1912, den Ersten Weltkrieg mit der Inflationszeit und die Weltwirtschaftskrise, in deren Folge Plauen die höchste Arbeitslosenquote unter deutschen Städten verzeichnet. Frühe sächsische Hochburgen der NSDAP sind im Zwickauer Raum und im Vogtland entstanden. 1922 ist in Plauen die erste Ortsgruppe gegründet worden, sie hat Anfang 1925, nach Verbotszeit und Wiedergründung, bereits 1 200 Mitglieder und übernimmt damit die sächsische Führungsrolle.
Fragt man nach den Gründen für diesen Erfolgskurs der Partei, muss man das völkische Milieu betrachten, das in Plauen schon früh existiert. Schon im August 1914 kam es in der Stadt zu pogromartigen Ausschreitungen gegen ostjüdische Kaufleute und Konkurrenten im Textilgewerbe, später verankert sich hier der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund (DTSB)“. Eine im Vogtland weit verbreitete Heimindustrie, eine geringe Dichte an Gewerkschaften sowie die kurze Herrschaft des Anarcho-Kommunisten Max Hoelz und die damit einhergehende politische Radikalisierung eines Teils des Bürgertums sind weitere Faktoren, die zur Beschreibung der besonderen Verhältnisse in Plauen dienen können. (1)
Schon beim Pogrom 1914 trat ein Kleinunternehmer in Erscheinung, der seit 1907 zu Plauens Spitzenfabrikanten zählt und später Mitglied des DSTB wird, der 1879 geborene Martin Mutschmann. Finanzielle Möglichkeiten, frühe Verbindungen zu Hitler sowie familiäre Vernetzungen auf der kommunalen NS-Ebene ermöglichen den Aufstieg. Mutschmann wird im Sommer 1924 Führer der Landesleitung des „Völkisch-Sozialen Blocks“ (VSB), der die verbotene NSDAP ersetzt. Nach der Wiedergründung der Partei ist nicht die Landeshauptstadt Dresden Sitz der Landes- bzw. Gauleitung, sondern Plauen, die Adresse lautet auf Bärenstraße 61, es ist Mutschmanns Wohnsitz und der Verwaltungssitz seines Unternehmens.
Entscheidend für den Erfolg der NSDAP, für die Mobilisierung und Bindung Tausender in Plauen, sind auch die öffentlichen Auftritte von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Robert Ley in der Stadt. Im Juni 1930 ist sie außerdem Schauplatz des ersten großen Gauparteitags der sächsischen NSDAP, 1932 erringt die Partei in Plauen die absolute Mehrheit.
Mitte März 1933, kurz nach der NS-Machteroberung in Sachsen, wird die Gauleitung in die Landeshauptstadt verlegt. Mutschmann, der über Jahre an der Professionalisierung der Gauleitung und der Durchsetzung seines Führungsanspruches gearbeitet hat, und seine Entourage siedeln sich in Dresden an, auf dem Weg zum Spitzenpersonal einer sich etablierenden Diktatur, die mit brutaler Härte gegen politisch Andersdenkende vorgeht.
Auch mit diesem Teil der Geschichte ist das Foto dieses Plauener Spitzendeckchens verknüpft und diesem Teil von Plauens Geschichte widmen wir uns mit unseren Veranstaltungen in diesem Herbst.
Veranstaltungspostkarte Herbst (PDF)
(1) Vgl. Mike Schmeitzner: „Plauen: Die Gauleitung der NSDAP“, in: Konstantin Hermann (Hg.), Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“. Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen, 1. Auflage, Dresden, Deutschland: Sandstein Verlag 2014, S. 44 ff.
Bildnachweis:
Herold, Richard: Plauen. Spitzendecke mit Darstellung des Plauener Rathauses, 1940 © Deutsche Fotothek / Herold, Richard